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Führung mit der demografischen Brille – Interview

[vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]In der Septemberausgabe des Executive Journal der Daimler AG, einer national wie international erscheinenden Informationsschrift für Führungskräfte des Konzerns, ist ein Interview mit mir zum Thema „Führung im demografischen Wandel“ erschienen. Auszüge aus dem Interview in deutscher Sprache können Sie an dieser Stelle nachlesen.[/vc_column_text]

[vc_column_text]Frau Bossmann, demografischer Wandel ist in aller Munde. In Ihrer Arbeit legen Sie besonderen Wert auf die Bedeutung von Führung. Warum?

Der demografische Wandel birgt Risiken, aber auch Chancen. Mit den Maßnahmen zur Ergonomie oder zum Gesundheitsmanagement können die Risiken präventiv angegangen werden. Es gilt aber auch, die Chancen zu nutzen, die beispielsweise in der Zunahme des Erfahrungswissens älter werdender Beschäftigter liegen. Führungskräfte sind gefragt, die Potenziale aller, vor allem auch die ihrer erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt zu nutzen. Denn sie haben einen entscheidenden Einfluss auf die Förderung und den Erhalt der Arbeitsfähigkeit jüngerer, aber insbesondere auch älterer Mitarbeiter. Diesen Einfluss unterschätzen Führungskräfte tendenziell.  

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[vc_column_text]Was können und sollten Führungskräfte in ihrer Arbeit ganz konkret tun?

Ich glaube nicht an den einen richtigen Weg. Aber es gibt viele Ansatzpunkte dafür, was Führungskräfte tun können, damit gesundes und motivierendes Arbeiten über eine verlängerte Lebensarbeitszeit hinweg wahrscheinlicher wird.

Es lohnt sich, wenn sich Führungskräfte für die beruflichen Ziele und individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter interessieren. Wir wissen aus der Forschung, dass die Mitarbeiter, die berufliche Ziele haben und die bei ihrer Erreichung von ihren Führungskräften unterstützt werden, deutlich arbeitsfähiger sind als jene, die entweder a) keine beruflichen Ziele (mehr) haben oder b) welche haben, aber sich von ihren Führungskräften nicht darin unterstützt sehen.

Werden Erwartungen der Mitarbeiter dauerhaft nicht erfüllt, erzeugen Führungskräfte häufig das, was sie nicht wollen: unzufriedene und weniger leistungsbereite Mitarbeiter. Wer das Gefühl hat „Hier gebe ich nur, aber ich kriege nichts zurück“ oder „Hier werde ich nicht gebraucht“, der wird irgendwann nur noch das machen, was nötig ist. Im Coaching erstelle ich mit meinen Kunden manchmal Landkarten, auf denen alle Mitarbeiter des Teams oder der Abteilung auftauchen. Dann schauen wir, was die Führungskraft über die jeweiligen beruflichen Ziele und Bedürfnisse der Mitarbeiter weiß, wie gut diese über die jeweiligen Aufgaben erfüllt werden und wie konkret Unterstützung bei der Zielerreichung und Bedürfnisbefriedigung aussehen könnte. Oft zeigt sich, dass die Führungskraft einzelne Mitarbeiter gut im Blick hat, andere aber gar nicht. Daraus ergibt sich die Aufgabe, persönliche Gespräche mit allen Mitarbeitern zu führen, um sich mit deren Ziel- und Bedürfnislagen vertraut zu machen und gemeinsam mit ihnen auszuloten, worin die Führungsunterstützung konkret bestehen könnte.

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[vc_column_text]Wo erleben Sie Hemmschwellen im betrieblichen Alltag?

Führungskräfte sollten offizielle und heimlich unsichtbare Altersgrenzen im Betrieb wo möglich aufheben oder zumindest herausfordern. Damit es immer seltener „zu alt für x“ oder „zu jung für y“ gibt. Außerdem sollten Führungskräfte Erfahrungen von Reziprozität („geben und nehmen“) und sozialer Unterstützung ermöglichen – und dies idealerweise auch in altersgemischten Teams über Generationen hinweg. Wenn ich im täglichen Umgang erlebe: „Mensch, der Alte kann ja was“ oder „Hätte ich auch nicht gedacht, dass der Jungspund das hinbekommt“, dann wird der Abbau von Vorurteilen wahrscheinlich(er). An dieser Stelle wird deutlich: Primär geht es um eine Haltungsarbeit. Diversity ernst nehmen, heißt auch, sich selbst zu hinterfragen und falsch generalisierende Vorurteile (der Alten gegenüber den Jungen und andersherum) abzubauen. Das geht nicht über ein buntes Plakat und Appelle, sondern über das Erleben. Insofern sind Führungskräfte gefordert, eine entsprechende Kultur und einen Wandel in den Köpfen aller mitzugestalten.

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[vc_column_text]Werden Sie nicht oft gefragt: „Was sollen wir Führungskräfte denn noch alles tun?“

In der Praxis erlebe ich sehr engagierte Führungskräfte, die ihrer professionellen Verantwortung für ihre Mitarbeiter gerecht werden wollen. Sätze wie diese sind häufiger Folge von Überlastung oder Zwickmühlen, in denen sich die Führungskräfte „gefangen“ sehen. In Unternehmen sehen sich Führungskräfte mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert. Gleichzeitig sollen ehrgeizige Produktivitäts- und Zielvorgaben erreicht, die Bedürfnisse von Mitarbeitern berücksichtigt, Wertschätzung trotz einer faktisch sehr gemischten Truppe vermittelt und die Mitarbeiter gesunderhaltend geführt werden. All das gleichzeitig ist aber nicht zu bewerkstelligen. Ehrgeizige Leistungsvorgaben und Gewinnziele erreicht man kurz- und mittelfristig am besten, wenn alle Mitarbeiter viel und schnell arbeiten oder Ressourcen zur Kostenreduktion eingespart werden. Eine aufgabenbezogene Mitarbeiterorientierung dagegen braucht Zeit für Entwicklung, Entschleunigung und regelmäßige Kommunikation. Führungskräfte müssen immer wieder neu entscheiden, ob sie sich in einem bestimmten Moment mehr um das Eine oder mehr um das Andere kümmern, und ihre Entscheidung auch verantworten. Das ist alles andere als leicht.

Wenn ein Unternehmen also Themen rund um den demografischen Wandel voran bringen will, gilt es, demografische Faktoren in den grundlegenden Entscheidungsprämissen der Organisation zu verankern und Führungskräften Zeit zu geben, sich diesen Themen zu widmen.

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