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Packen wir’s an! Durchführung psychischer Gefährdungsbeurteilungen im Unternehmen- ein praktischer Ratgeber

Sie haben die Bedeutung psychischer Gefährdungsbeurteilungen erkannt, scheuen aber vielleicht noch den damit verbunden Aufwand und eventuell anfallende Kosten? In diesem Artikel können Sie sich einen Eindruck über den Ablauf und die Gestaltung psychischer Gefährdungsbeurteilungen verschaffen.

So wichtig, richtig und verpflichtend Gefährdungsbeurteilungen (*KLICK* [1] zum Artikel über den rechtlichen Hintergrund und Nutzen) auch sind, sie bedeuten natürlich auch einen gewissen personellen und finanziellen Aufwand seitens des Unternehmens. Um die psychischen Gefährdungsfaktoren möglichst effizient und durchdacht zu erfassen, ist ein gutes Konzept daher unverzichtbar. Planen Sie Ihr Vorhaben von Anfang an durchdacht und informieren Sie vorab beteiligte Akteure. So stellen Sie die Weichen für einen reibungslosen Ablauf. Das gilt insbesondere für die Einbeziehung der Beschäftigten, die enorm wichtig sein kann, um Gefährdungen erkennen und gezielt Schritte einleiten zu können, die akzeptiert und mitgetragen werden. Empfehlenswert kann es sein, die geplante Vorgehensweise in einem Teilbereich zu erproben, bevor sie für den gesamten Betrieb festgelegt wird.

Die Gefährdungsbeurteilung ist auf die konkreten Bedingungen und Tätigkeiten im Betrieb zu beziehen. Eine gelingende Planung und Umsetzung setzt daher voraus, dass die an der Beurteilung beteiligten Akteure das Tätigkeitsspektrum im eigenen Betrieb überblicken und die unterschiedlichen Arbeitsaufgaben und -anforderungen kennen. Notwendige Kenntnisse zur erfolgreichen Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beziehen sich zudem auf:

Eine gute Prozessgliederung kann danach in den folgenden 7 Schritten stattfinden.

 

7 Schritte

 

Schritt 1: Festlegung von Tätigkeiten & Bereichen

Je größer das Unternehmen, desto weniger werden Sie in der Lage sein, den individuellen Arbeitsplatz jedes einzelnen Mitarbeiters detailliert zu analysieren. Es gilt daher, sich auf die Suche nach Tätigkeiten und Bereichen zu begeben, die ähnliche Arbeitsbedingungen gemeinsam haben und somit in Bezug auf die psychischen Belastungen bis zu einem gewissen Grad vergleichbar sind. So können Einheiten gebildet werden, die auf Grundlage nachvollziehbarer Kriterien zusammengefasst werden (z.B. in Bezug auf die Art der Tätigkeit in ähnlichen Berufsgruppen oder in Bezug auf den Organisationsbereich). Diese Einheiten können übereinstimmen mit den Einheiten, die Sie für die Beurteilung anderer Gefährdungsfaktoren festgelegt haben (z.B. nach Arbeitsstättenverordnung), müssen es aber nicht sein. Denn die psychische Belastung variiert je nach Art der Tätigkeit und in Abhängigkeit von der Arbeits- und Organisationseinheit (z.B. Interaktionsnotwendigkeiten, soziale Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten). Nützliche Prüffragen zur Einschätzung sind die folgenden Fragen (in Anlehnung an BAuA, 2014):

Schritt 2: Ermittlung der psychischen Belastung

Nachdem sinnvolle Bereichsgruppen gebildet wurden, können Sie mit der Bestandsaufnahme
beginnen. Ver-schaffen Sie sich mit geeigneten Methoden (z.B. Mitarbeiterbefragung, Beobachtung, Workshops) ein Bild über die psychischen Belastungsfaktoren der verschiedenen Arbeitsbereiche in Ihrem Unternehmen. Hierzu können Sie vielfältige Methoden nutzen. Wichtig ist eine Auswahl der geeigneten Instrumente auf Basis der Be-triebsgröße, der Tätigkeiten, der Branche und den zu erwartenden Belastungen. Bewerten Sie außerdem die einzelnen Schritte nach Dringlichkeit: Gab es in einem bestimmten Bereich z.B. schon Beschwerden oder sind Mängel offensichtlich? Informationen über psychische Belastungen, die bereits vorliegen und hinreichend aktuell sind, müssen nicht neu erfasst werden. Sofern Informationen über Qualitätsmängel, Fluktuation, Be-schwerden, Krankenstände etc. zu bestimmten Tätigkeiten oder Bereichen vorliegen, können diese zuerst prio-ritär behandelt werden. Eine schrittweise Abarbeitung der Gefährdungsbereiche (ggf. mit dem dringlichsten beginnend) ist denkbar.

Schritt 3: Beurteilung der psychischen Belastung

Um schließlich zu entscheiden, ob in einem bestimmten Arbeitsbereich Arbeitsschutz-Maßnahmen erforderlich sind (oder nicht), können sie Instrumente mit entsprechenden Grenzwerten zu Rate ziehen oder die Akteure in einem Workshop entscheiden lassen, ob Verbesserungsmaßnahmen in die Wege geleitet werden müssen. Zudem können Sie zu Rate ziehen oder die Akteure in einem Referenzwerte anderer Betriebe oder vergangener Untersuchungen in Ihrem Unternehmen zum Vergleich nutzen, wenn Ihnen diese zur Verfügung stehen.

Schritt 4: Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen

Wenn Sie für bestimmte Bereiche ermittelt haben, dass Maßnahmen im Sinne des Arbeitsschutzes notwendig sind, müssen diese in einem nächsten Schritt entwickelt werden. Diese Maßnahmen sollten speziell aus den Ergebnissen Ihrer Untersuchung abgeleitet werden und damit auch fundiert und nachvollziehbar begründet werden. Das Arbeitsschutzgesetz sagt hierzu folgendes:

ArbSchG §4
1. Gefährdung vermeiden, an der Quelle bekämpfen
2. Gefährdung möglichst gering halten
3. Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig (wenngleich ergänzend sinnvoll)

Das heißt, oberstes Ziel ist es, die Gefährdung sofort im Keim zu ersticken- oder wenn nicht anders möglich zumindest so weit es geht gering zu halten. Dabei sollten Ihre Maßnahmen speziell auf die Be-kämpfung der Gefährdung abzielen und individuelle Verhaltensänderungen seitens der Mitarbeiter als zweitrangig betrachten. Die „gesunden“ Rahmenbedingungen für Ihre Belegschaft zu schaffen – das ist Ihre Hauptverantwortung. Setzen Sie dafür sinnvolle Prioritäten und schaffen zeitnah Ablaufpläne. So sind die Erkenntnisse und Problemfelder noch frisch in den Köpfen und können direkt angegangen werden. Bedenken Sie dabei, dass aus zeitlichen und personellen Gründen nicht alle Problemfelder, die Sie ermittelt haben und nicht alle Maßnahmen direkt umgesetzt werden können. Vergessen Sie daher nicht eine sinnvolle Selektion!

Schritt 5: Wirksamkeitskontrolle

Im Fall einer psychischen Gefährdungsbeurteilung gilt wie bei vielen Analysen im Unternehmen: Kontrolle ist besser! Legen Sie eine sinnvolle und angemessene Frist fest und lassen Sie den Dingen in diesem Zeitraum die Zeit, sich im Alltag zu festigen und zu entwickeln. Dann sollten Sie erneut die Belastungssituation mit Hilfe von Legen Sie eine sinnvolle und angemessene Begehungen, Workshops, schriftlichen Kurzbefragungen der Beschäftigten oder Prüfung von Kennzahlen wie z.B. Krankenständen erfassen. Entwickeln Sie im Falle einer negati-ven Bilanz weitere Maßnahmen, um die Belastung zu reduzieren. Bedenken Sie, dass manche Maß-nahmen nicht unmittelbar, sondern erst mittel- oder langfristig Auswirkungen zeigen. Dies sollte bei der Festlegung des Zeitpunkts für Kontrollen bedacht und berücksichtigt werden.

Schritt 6: Am Puls der Zeit bleiben

Auch wenn es sich anstrengend anhört: Mit einer einzigen Gefährdungsbeurteilung ist es nicht für alle Zeiten getan. Nur wenn Sie immer wieder die aktuellen Gegebenheiten erfassen, können Sie eine optimale Ausrichtung Ihrer Maßnahmen auf die Situation garantieren. Die heutige Zeit ist geprägt von schnellem und stetigem Wandel- so auch der Arbeitsplatz. Immer wieder fallen Umstrukturierungen, Neuerungen, technische Fortschritte, Fluktuation oder Neupositionierungen auf dem Markt an, die den Arbeitsplatz jedes einzelnen Mitarbeiters verändern können- und damit auch die Belastungssituation. Nicht zuletzt können auch neue Erkenntnisse im Bereich Arbeitsschutz oder Veränderungen der rechtlichen Basis der Auslöser dafür sein, dass Sie Ihre Schwerpunkte überdenken müssen. Nutzen Sie diese Dynamik – zum Wohle Ihres Betriebs!

Schritt 7: Dokumentation

Zu guter Letzt sollten Sie beachten, dass eine präzise Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung nicht nur vorgeschrieben, sondern auch sehr sinnvoll ist. Sie sollten festhalten, was konkret beurteilt wurde, welche Maßnahmen entwickelt wurden und wer in welchem Zeitraum für deren Durchführung verantwortlich ist, wann diese Maßnahmen konkret durchgeführt wurden und wann die Dokumentation erstellt wurde. So können Sie auch bei der Wirksamkeitsüberprüfung den gesamten Prozess betrachten und im Fall der Fälle Änderungen präzise planen. Entsprechend der GDA-Leitlinie „Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ sollte die Dokumentation mindestens enthalten:

Es wird keine besondere Form der Dokumentation verlangt. Ob Sie die Dokumentation in Papierform anfertigen oder elektronisch, bleibt Ihnen überlassen.

Damit sind wir für den Moment am Ende unserer Artikelserie angelangt. Viel Erfolg bei der Planung und Umsetzung Ihrer Psychischen Gefährdungsbeurteilung!
Ich freue mich, wenn Sie Kommentare hinterlassen mit Tipps und Ihren praktischen Erfahrungen.

 

Psychische Gefährdungsbeurteilung wird in Zeiten zunehmender Belastungen am Arbeitsplatz für Unternehmen und Führungskräfte immer wichtiger. Aber was bedeutet das überhaupt, wo fängt man an und wie führt man eine solche Beurteilung zielführend durch? Diese und weitere Fragen beantwortet unsere vierteilige Artikelserie „Psychische Gefährdungsbeurteilungen“. [2]

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